Die Geschichte des ersten autonom fahrenden Autos begann in Deutschland

Ein Pionierprojekt im Bereich der Künstlichen Intelligenz

Auf einer herbstlichen Fahrt im Jahr 1994 erregten zwei elegante Mercedes-Limousinen auf der französischen Autobahn 1 die Aufmerksamkeit der Passanten. Diese Fahrzeuge, bekannt als VaMP und VITA-2, fuhren selbstständig durch dichten Verkehr und überholten andere Autos ohne menschliches Eingreifen. Doch was diese Autos wirklich besonders machte, war, dass sie bereits vor über 30 Jahren die ersten funktionierenden autonom fahrenden Fahrzeuge waren – ein beeindruckender Meilenstein in der Geschichte der Künstlichen Intelligenz.

Die Anfänge: Visionäre Ideen in den 1950er Jahren

Die ersten Versuche, autonome Fahrzeuge zu entwickeln, reichen bis in die 1950er Jahre zurück. Damals experimentierten Ingenieure mit Fahrzeugen, die durch in die Straßen eingelassene Kabel und Magneten geführt wurden. Diese frühen Systeme waren jedoch aufgrund der hohen Kosten und des logistischen Aufwands für die notwendige Infrastruktur nicht praktikabel.

Der Durchbruch: Ernst Dickmanns und Maschinenvision

Einen bedeutenden Fortschritt erzielte der deutsche Ingenieur Ernst Dickmanns. Nach seiner Arbeit bei der NASA kehrte Dickmanns in die akademische Welt zurück und begann, sich intensiv mit Maschinenvision zu beschäftigen. Er und sein Team am Institut für Informatik der Bundeswehr Universität in München entwickelten eine Technologie, die es Fahrzeugen ermöglichte, ihre Umgebung durch Kameras und Computer zu erfassen und zu interpretieren.

Ihr erstes großes Projekt war ein modifizierter Mercedes-Benz Vario Bus, der genügend Platz für die damals noch sehr umfangreiche Computertechnik bot. Diese Technologie erlaubte es dem Bus, selbstständig auf einer Teststrecke zu fahren. Dieser technologische Durchbruch fand nicht im Silicon Valley, sondern auf einer deutschen Autobahn statt. Die Teststrecke war eine 20 Kilometer lange, noch nicht für den Verkehr freigegebene Neubaustrecke in der Nähe von Dingolfing. Hier hatte Professor Ernst Dickmanns von der Universität der Bundeswehr München die Möglichkeit, seine entwickelte Technologie zu erproben.

PROMETHEUS: Ein europäisches Forschungsprogramm

1986 startete das EU-Programm PROMETHEUS (PROgraMme for a European Traffic of Highest Efficiency and Unprecedented Safety), das ursprünglich geplant hatte, Führungsdrähte in europäischen Straßen zu verlegen. Dickmanns überzeugte die Projektleiter jedoch mit einer beeindruckenden Demonstration seines autonomen Fahrzeugs VaMoRs, das auf einer Teststrecke autonom und zuverlässig mit Geschwindigkeiten von bis zu 96 km/h fahren konnte.

VaMP und VITA-2: Die ersten autonomen Autos auf der Straße

Mit den Mitteln aus dem PROMETHEUS-Programm entwickelte Dickmanns die Fahrzeuge VaMP und VITA-2, die äußerlich wie gewöhnliche Mercedes-Limousinen aussahen, aber vollständig autonom fahren konnten. Ein entscheidender Moment war die Testfahrt auf der Autobahn 1 nahe Paris, die zeigte, dass diese Fahrzeuge unter realen Bedingungen sicher und zuverlässig fahren konnten.

Quelle: von Ernst D. Dickmanns – Ernst D. Dickmanns, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40817883

Der lange Weg zur Marktreife

Obwohl die Technologie bereits in den 1990er Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht hatte, dauerte es noch Jahrzehnte, bis selbstfahrende Autos marktreif wurden. Doch warum hat es so viele Jahrzehnte gedauert, bis die ersten teilautonomen Fahrzeuge käuflich waren? Dickmanns liefert eine einfache Erklärung: Seine Technologie war damals schlichtweg zu kostspielig für eine kommerzielle Anwendung. Drei Hauptgründe verzögerten die Einführung:

  1. Langsame Anpassung der Hersteller: Die Automobilindustrie benötigt oft Jahre, um neue Technologien in die Serienproduktion zu integrieren.
  2. Regulierung und Haftung: Autonome Fahrzeuge mussten erst ein deutlich höheres Sicherheitsniveau als menschliche Fahrer erreichen, um rechtliche und haftungsrechtliche Bedenken auszuräumen.
  3. Kostenreduktion: Die für autonome Fahrtechnologien benötigten Sensoren und Computer waren lange Zeit zu teuer für eine kommerzielle Nutzung.

Die Entwicklung der letzten Jahre

Seit den ersten Erfolgen in den 1990er Jahren hat sich die Technologie kontinuierlich weiterentwickelt. Projekte wie das italienische ARGO (1998) und die DARPA Grand Challenges in den USA (ab 2004) zeigten die Fähigkeiten autonomer Fahrzeuge in realen Verkehrssituationen. Google (heute Waymo) startete 2009 sein bekanntes selbstfahrendes Auto-Programm, und immer mehr Automobilhersteller integrieren heute autonome Funktionen in ihre Fahrzeuge.

Wie autonom sind autonome Autos wirklich?

In der Diskussion um autonome Autos stellt sich die Frage, wie eigenständig diese Fahrzeuge tatsächlich sind. Professor Ernst Dickmanns, spricht in diesem Zusammenhang von „Bestätigungssehen“. Hierbei gleichen die Sensoren der Fahrzeuge kontinuierlich ihre Messdaten mit den gespeicherten Informationen ab. Stimmen diese überein, bleibt das Auto auf Kurs. Bei Abweichungen muss das Fahrzeug schnell eine Erklärung finden oder zur Sicherheit anhalten.

Diese Technologie bringt jedoch eine bedeutende Einschränkung mit sich: Autos mit diesem Ansatz werden niemals vollständig „autonom“ im engeren Sinne sein, selbst wenn sie eines Tages ohne menschlichen Fahrer auskommen. Sie bleiben stets abhängig von externen Systemen, insbesondere GPS, und können nur dort fahren, wo technische Unterstützung vorhanden ist. Eine Fahrt durch die Wildnis oder auf nicht kartierten Waldwegen bleibt unmöglich.

Mit der von Dickmanns entwickelten Technik könnte jedoch wahre Autonomie erreicht werden. Seine Technologie würde es Fahrzeugen ermöglichen, tatsächlich unabhängig zu navigieren und auch in unkartierten Gebieten sicher zu fahren. Dies würde einen entscheidenden Schritt hin zu wirklich autonomen Fahrzeugen bedeuten.

Fazit

Die Geschichte des ersten autonom fahrenden Autos ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Potenziale und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz. Sie zeigt, dass technologische Durchbrüche oft das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Entwicklung sind. Heute, fast vier Jahrzehnte nach den ersten autonomen Fahrten, stehen wir kurz vor dem Durchbruch, bei dem selbstfahrende Autos Teil unseres Alltags werden. Die Vision von Ernst Dickmanns und seinem Team hat die Grundlagen für eine Zukunft gelegt, in der Künstliche Intelligenz unsere Mobilität revolutioniert.