Künstliche Intelligenz in der Medizin: Zwischen ärztlicher Verantwortung und technologischer Transformation

Künstliche Intelligenz kann der Medizin helfen – zum Beispiel beim Erkennen von Krankheiten auf Röntgenbildern oder beim Schreiben von Arztbriefen. Aber: Sie darf nie allein entscheiden.

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in das Gesundheitswesen markiert einen der tiefgreifendsten technologischen Umbrüche der modernen Medizin. Von der Diagnostik über die Therapiebegleitung bis hin zur administrativen Entlastung – KI-Anwendungen versprechen Effizienz, Präzision und Entlastung in einem zunehmend komplexen Versorgungssystem. Der 129. Deutsche Ärztetag 2025 hat sich in einem grundlegenden Beschlussantrag der Bundesärztekammer mit den Chancen, Grenzen und Rahmenbedingungen für den KI-Einsatz aus ärztlicher Sicht befasst.

In einer Zeit, in der globale Tech-Konzerne mit enormen Ressourcen an KI-Systemen arbeiten und Gesundheitsdaten zunehmend zum Gegenstand ökonomischer Interessen werden, positionieren sich Deutschlands Ärztinnen und Ärzte klar: KI soll medizinischen Nutzen bringen, nicht menschliches Urteilsvermögen ersetzen. Der ärztliche Anspruch bleibt der eines reflektierten, ethisch fundierten Handelns – unterstützt durch, aber nicht abhängig von Algorithmen.

Technische Analyse

Der medizinische Einsatz von KI basiert maßgeblich auf Verfahren des maschinellen Lernens (ML), insbesondere des überwachten Lernens sowie zunehmend auf Deep Learning-Architekturen wie Convolutional Neural Networks (CNNs) und Transformer-Modellen. Diese Technologien ermöglichen unter anderem die Analyse bildgebender Verfahren (Radiologie, Pathologie), die Verarbeitung unstrukturierter Daten (z. B. ärztliche Berichte) und die Mustererkennung in großen Datenmengen (z. B. EKG-Signale oder genomische Daten).

Ein zentraler Punkt der ärztlichen Kritik betrifft die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung. Viele der derzeit eingesetzten Deep-Learning-Modelle operieren als „Black Box“, d. h. ihre innere Logik ist für medizinisches Personal nicht intuitiv nachvollziehbar. Hier setzen Konzepte der Explainable AI (XAI) an, die darauf abzielen, Entscheidungsgrundlagen für Nutzer erklärbar zu machen – ein essenzielles Kriterium für den klinischen Einsatz.

Zudem ist die Datenqualität von elementarer Bedeutung. Verzerrungen in den Trainingsdaten können zu Bias führen – mit potenziell diskriminierenden Auswirkungen auf Patientengruppen. Auch hier fordern Ärztinnen und Ärzte unabhängige Evaluierung und eine systematische Qualitätssicherung. Technologisch bedeutet das, dass nicht nur die Algorithmen selbst, sondern auch deren Datenbasis, Validierungsprozesse und regulatorische Rahmenbedingungen Bestandteil einer normativen Kontrolle sein müssen.

Anwendung und Nutzen

KI kann das Gesundheitswesen in mehrfacher Hinsicht transformieren:

  • Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet KI eine wertvolle Assistenz in der Entscheidungsfindung, etwa durch automatisierte Bildauswertung oder prädiktive Analysen im Rahmen chronischer Erkrankungen.
  • Für Patientinnen und Patienten entstehen neue Wege der personalisierten Medizin, etwa durch KI-gestützte Therapieempfehlungen, Frühdiagnostik oder kontinuierliches Gesundheitsmonitoring.
  • Für Institutionen ergibt sich eine Effizienzsteigerung bei Dokumentation, Verwaltung und Ressourcenmanagement – ein entscheidender Punkt angesichts des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels.

Doch dem Nutzen stehen auch Herausforderungen gegenüber. Ein zentrales Risiko ist das Deskilling medizinischen Personals, wenn ärztliche Entscheidungskompetenz durch automatisierte Prozesse marginalisiert wird. Auch die Gefahr einer ökonomisch motivierten Einführung von KI-Systemen ohne hinreichende medizinische Validierung steht im Raum. Deshalb betont die Bundesärztekammer: Die ärztliche Perspektive muss sowohl in der Entwicklung als auch bei der Implementierung integraler Bestandteil bleiben.

KI-Kategorien und Einordnung

Die im medizinischen Kontext relevanten KI-Kategorien lassen sich wie folgt einordnen:

  • Maschinelles Lernen (ML): Grundlage vieler diagnostischer Tools, z. B. Klassifikation von Röntgenbildern.
  • Natürliche Sprachverarbeitung (NLP): Analyse von Patientenakten, Arztbriefen oder Spracherkennung in der Dokumentation.
  • Robotik und Automatisierung: In der Chirurgie (z. B. DaVinci-Systeme) oder für Routineaufgaben in der Pflege.
  • Explainable AI (XAI): Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit, insbesondere bei hochkomplexen Systemen.
  • Federated Learning: Dezentrale Modelltrainingsmethoden, die datenschutzfreundliche KI-Entwicklung erlauben – ein Ansatz mit großem Potenzial in der medizinischen Forschung.

Diese Modelle ergänzen sich synergetisch. NLP-Systeme erleichtern die strukturierte Erfassung ärztlicher Informationen, ML-Modelle können Muster identifizieren, und XAI-Ansätze sorgen für Transparenz. Ein zentraler Anspruch ist dabei stets: KI muss erklärbar, sicher und rechtlich eindeutig eingebettet sein.

Fazit und Ausblick

Die Bundesärztekammer zeichnet mit ihrem Beschluss ein realistisches, aber ambitioniertes Bild: Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel, aber ein mächtiges Werkzeug. Sie kann Ärztinnen und Ärzte entlasten, die Versorgung verbessern und Ressourcen effizienter nutzen. Doch der ärztliche Beruf ist mehr als Datenverarbeitung – er lebt vom Kontext, der Kommunikation und der ethischen Verantwortung.

Die kommenden Jahre werden entscheidend sein: Der regulatorische Rahmen muss so gestaltet werden, dass ärztliche Verantwortung gesichert, medizinische Qualität gewährleistet und wirtschaftliche Interessen begrenzt werden. Forschung, Ausbildung und ethische Reflexion gehören ebenso dazu wie technologische Exzellenz.

Wenn dies gelingt, kann KI ein Partner der Medizin werden – kein Konkurrent.

Einfache Zusammenfassung

Künstliche Intelligenz kann der Medizin helfen – zum Beispiel beim Erkennen von Krankheiten auf Röntgenbildern oder beim Schreiben von Arztbriefen. Aber: Sie darf nie allein entscheiden. Ärztinnen und Ärzte müssen immer die Letzten sein, die eine Behandlung bestimmen. Damit das gut funktioniert, müssen sie lernen, wie KI arbeitet. Und es braucht klare Regeln, damit niemand durch KI benachteiligt wird. So kann KI ein Helfer im Gesundheitswesen werden – aber kein Ersatz für das Gespräch zwischen Arzt und Patient.

Weitere Quellen:
  1. https://129daet.baek.de/data/media/BII01.pdf
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Da-Vinci-Operationssystem
  3. https://www.bundesaerztekammer.de/aerztetag/129-daet-2025-in-leipzig
  4. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/wissenschaftlicher-beirat/Veroeffentlichungen/KI_in_der_Medizin_SN_neu.pdf
  5. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Digitalisierung/Thesenpapier_KI_in_der_Gesundheitsversorgung_03.2025.pdf
  6. https://hochschulforumdigitalisierung.de/wp-content/uploads/2023/10/HFD_DP_25_Deskilling.pdf

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